I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son
CD/LP, Blue Soldier Records/Pocket Records/Pastel Music/Love Da Records/Gold Typhoon Music, 2010
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back Maximilian Hecker hält sich über Wasser. Das stand ihm nicht selten bis zum Hals, vor zwei Jahren allerdings bis Oberkante Unterlippe. Dementsprechend war die Dringlichkeit groß, sich schnurstracks am eigenen Schopfe aus der Misere zu ziehen, in die sich Hecker manövriert sah: er fühlte sich seines Motors beraubt, Musik zu machen; um das schnörkellose Gefühl hinter seinen Songs. Um sich auf selbiges zurückbesinnen zu können, brach er 2008 alle Zelte ab. Der Berliner Berufsmusiker beschloss einen Umweg zu gehen, der ihn geradewegs in eine temporäre Isolation führte, die ihm nicht nur seinem Ursprung näherbringen, sondern auch dreizehn neue Songs schaffen sollte. Vereint auf einem Album, dessen Titel und Cover pure Verheißung sind.
In Selbstmitleid zu ertrinken ist ein Leichtes. Selbst Stümper können das. Allzu mühelos - ohne eigenes Zutun - verliert es sich im Strudel von Schwermut und Weinerlichkeiten. Die wahre Kunst liegt darin, wonnevoll im eigenen Schicksal zu baden. Sich nicht unterzukriegen zu lassen vom Sog, aber gerade rechzeitig nach dem letzten Ast zu greifen, der Dich hält; Dich zum rettenden Ufer führt, das Dich zur Ruhe kommen und durchatmen lässt. Du bist froh. Du hast es geschafft; überlebt. Du führst die Hand zur linken Brust, Dein Herz ist noch da, schlägt noch - alles gut.
Maximilian Hecker hält es nicht an Land. Er scheut es nicht, das kühle Nass. Stürzt sich in die Fluten, immer und immer wieder. Resultat: Er schreibt drüber. Fragil und verzweifelt, in epischer Breite, schwelgt Herrn Heckers Herz wie zu seinen besten Zeiten in beseelter Traurigkeit. Reduziert auf ihre Quintessenzen sind die zwölf Stücke (plus Hidden Track), die der weiblichen Stimme im Intro folgen und der verliebten Seele beides sind: Fußfessel und Notanker zugleich. Denn irgendwo zwischen dem zauberhaften "Holy Dungeon", Heckers reanimiertem "Messed-Up Girl" (erstmalig in Erscheinung getreten auf "I'll Be A Virgin, I'll Be A Mountain", 2006) und "Grandiosity", das seinem Namen alle Ehre macht, springen sämtliche Funken über, die es braucht für den Beginn einer wunderbaren Verbindung. Und so wird "I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son", lautet die Diagnose Herzschmerz, sowohl Gift sein, als auch die lindernde Medizin.
Fazit
Die eigenen vier Wände als Festung, das Herz ebenfalls: nichts und niemand dringt herein, nichts heraus. Doch für Letzteres gilt das nur bedingt: denn je schwerer das Herz, desto zwingender muss es erleichtert werden. Und ein Künstler wäre wohl ein Künstler nicht, würde er dieser Naturmäßigkeit nicht Folge leisten. Aus diesem Grund machte Maximilian Hecker wieder Musik; wunderbar unverarbeitet, unvermittelt und echt. Von Haus aus. Ohne Schnick, ohne Schnack, ohne alles - außer Gefühl. Und ist dem Einen oder Anderen jener haltversprechender Ast am Uferrand, bevor des Kummers Wellen zu hoch schlagen, um ihnen zu entkommen können.
Anspieltipps
Holy Dungeon
Court My Eyes Alone
Glaslights
Messed-Up Girl (Ballad Version)
Grandiosity