The Rise and Fall of Maximilian Hecker

The Rise and Fall of Maximilian Hecker

Book, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2012


Whiskey-soda.de

back Wenn in historischen Belangen von "Rise and Fall" die Rede ist, dann geht es in einem überwiegenden Teil der Fälle um den konzentrischen Lebenslauf eines Reiches, das zunächst wächst und gedeiht, irgendwann schließlich seine übersichtliche Blütezeit erlebt, um dann jenseits dieses Höhepunkts tragisch auf seinen unvermeidlichen Zerfall zuzusteuern. "The Rise and Fall of Maximilian Hecker" soll allerdings nicht ein einmalig-endgültiges Zerfallsphänomen beschreiben (Dafür wäre der Autor ja auch noch viel zu frisch!), sondern als Titel vielmehr das ständige Wechselspiel zwischen Auftrieb und Bruchlandung umschreiben, aus dem es für den Berliner Singer-Songwriter scheinbar kein Entkommen gibt.

Das semiprivate Leben des Maximilian Hecker erscheint seit langem wie eine einzige Verständnisschwierigkeit. Maximilian Hecker versteht nicht, weshalb er es sich mit den Frauen immer und immer wieder versaut (O-Ton: "Hecker, immer der gleiche Scheiß"), versteht nicht, wieso er in Fernost trotz seines Erachtens fast nur miserablen Shows zwar als gottgleicher Popstar verstanden wird, sich ansonsten dort aber im pseudo-herzlichen Menschlichkeits-Vakuum winden muss, und auch nicht, dass das verbohrte heimische Publikum ihn in seiner Musik und seinen so nah an sie angrenzenden Schwächen gleichermaßen partout nicht so verstehen will, wie er es dringend bräuchte, um sich als Musiker endlich einmal wohl zu fühlen und ganz bei sich zu sein. Um die beste Leistung abzuliefern und damit der wie ein Damoklesschwert über ihm baumelnden Abstrafung durch das strenge freud'sche Über-Ich zu entgehen. Maximilian Hecker, der, wenn er nicht zufällig er selbst wäre, niemals ein Maximilian Hecker-Konzert besuchen würde, weiß dabei: Bühne kann er nicht, denn er kann weder Star noch Lichtgestalt. Er kann auch nicht Sex-Symbol, sei er doch ein Popstar-Legastheniker und komme außerdem nur aus Bünde in Ostwestfalen. Aber doch ist er eitel genug, sich alledem nicht zu entziehen, unter Risiko des Kontrollverlusts Konzerte zu geben und verwirrt genug, sich dann hilflos zu fragen, ob all die Frauen und Mädchen, die sich in der asiatischen Parallelwelt zu rauhen Mengen in Konzertsäle und Autogrammschlangen manövrieren, tatsächlich nun alle mit ihm schlafen wollen, während er selbst als der von den verkehrten Reizen Erdrückte im Grunde doch nur ein einziges, schlichtes Bedürfnis hat, nämlich das nach Wärme. Wenn es in dem Bezug ganz schlecht für ihn aussieht, bestraft er sich unter anderem mit ekligen Milchbrötchen selbst für eine Isolation, die doch nach dem Stand der Dinge nur und ausschließlich er selbst verschuldet haben könne.

Hecker wirft die Sternstunden seiner Karriere und seines absurden Liebeslebens zusammen auf einen Haufen mit sämtlichen an ihm nagenden Missverständnissen und Rock-Bottom-Erlebnissen, verzweifelt und philosophiert auf eine fast schon wissenschaftliche Art und Weise bis hinein in die in jeglicher Hinsicht komplexen Abgründe der eigenen Person. Wie in seinen Songtexten quasi, allerdings bar jeglicher unangebrachten Ästhetik. Ungeschönt und filterfrei, dafür aber mit wohldrapierter und treffsicherer Ironie legt er die vollkommene Fehlvorstellung des nicht existenten lust- und rauschvollen Popstarlebens dar, ohne sich je selbst zu ernst zu nehmen oder gar chic zu finden in seinem Leiden. Es entstehen reihenweise individuelle Neologismen und ganze Art-Brut-Parabeln. Insider-Witzchen werden freigelegt. Hintergründlichkeiten des Songwritings eröffnen sich. Und täglich grüßt die Dekontraktion: Alle sind nur arme Würstchen ("mit Beinen und oben Kopf drauf"), nur keiner kapiert's.

Das Buch stellt das ausarbeitete Ergebnis von seit 1999 gesammelten Gedanken dar, welche regelmäßig in tagebucheintragähnlichen Aufzeichnungen Heckers ihre Verwertung fanden. Dementsprechend ungeschönt und lesbar privat fällt das Ergebnis aus. Besondere sprachliche Würdigung finden dabei in erster Linie die Fettnäpfchen und Entfremdungsmomente, die besonders den jüngeren Hecker zeitweise magisch anzuziehen scheinen. Der Übergang von Sarkasmus in zelebrative Selbstzerfleischung und -verdammnis erfolgt fließend und in zunehmend kürzeren Intervallen, steuert aber dann auf ein offenes Ende zu, das trügerisch ist in seiner Glückseligkeit und den nächsten Rückschlag schon erahnen lässt. Inmitten von alledem – sozusagen im Auge des Sturms – wird sich der Leser einer verlorenen heckerschen Seele voller Gefühl, kindlicher Fragilität, ritterlicher Romantik und nostalgischen Sehnens gewahr, die Zeugnis darüber ablegt, wie unumstößlich ernst es Maximilian Hecker mit seiner Musik meint.

Für all diejenigen, die sich spätestens seit ihrem ersten Hecker-Zusammenbruchskonzert-Erlebnis wünschen, endlich zu begreifen, was diesen bisweilen hoffnungslos befremdlich auftretenden und agierenden Künstler einerseits treibt und inspiriert, andererseits aber lähmt und blockiert, wird der Griff zu diesem Buch der früchtetragende sein. Wer noch nie etwas von Maximilian Hecker gehört hat – das soll es ja geben –, dem sei "The Rise and Fall of Maximilian Hecker" ebenso ausdrücklich ans Herz gelegt, denn hier hat der Leser es mit einem locker-unterhaltsamen, aber dennoch anspruchsvoll und in sympathischer wie analytischer Selbstironie geschriebenen Buch zu tun, das, aufgefüllt mit herrlich trockenem Humor, denkwürdigen Anekdoten und Erfahrungsschätzchen gleichermaßen, im biographischen Milieu seinesgleichen erst einmal finden muss. Der Begriff "Autobiographie" jedenfalls würdigt die Reichhaltigkeit dieser 250 Seiten nicht hinreichend.