Mirage of Bliss
CD, Blue Soldier Records/Gold Typhoon Music/Leeway/Love Da Records, 2012
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back Über die "Whereabouts of Love" hat sich so mancher schon Herz und Kopf zerbrochen. Maximilian Hecker gehört nicht dazu. Als verzweifelter Romantiker ist er lieber authentisches Opfer der eigenen unerfüllbaren Sehnsüchte, als sich auf so brüchige Konzepte wie autosuggestiven Seelenfrieden zu verlassen. Der Dalai Lama ist lieber fröhlich. Und Maximilian Hecker eben nicht. Wie er auf "Mirage of Bliss" melancholisch-beeindruckend beweist. Tja – soll doch jeder nach seiner Fasson unglücklich sein dürfen.
Das – abhängig von der Zählweise – neunte Album des Heckers aus Heidenheim ist – soviel darf an dieser Stelle schon verraten werden – zunächst kaum eine Überraschung. Das zerbrechliche Hauchen, das seine Stimme ist, die vierminütigen, klanggewordenen Kleinode, deren komplexe Strukturen sich erst nach mehrfacher Hörlektüre zu erkennen geben, der fatalistische Seufzer auf Albumlänge – "Mirage of Bliss" hat all das – hierbei allerdings von "Bewährtem" zu sprechen, hält der Autor für nicht weniger als unangebracht. Trotz dieser – nennen wir das Kind doch einfach – Werktreue ist "Mirage of Bliss" anders.
Zum Beispiel aufwändiger und zumindest dem Höreindruck nach "professioneller" produziert. Die Rhythmus-Sektion klingt rund und fett, die 88 Tasten sind vollmundig aufgenommen und auch Heckers Stimme erreicht unerahnte Sattheitsgrade. Die für den Barden keineswegs neuen Streicher-Sätze schielen eher in Richtung Royal Philharmonic, anstatt sich wie auf fast allen Vorgänger-Alben als Kammer-Musik-Ensemble zu profilieren. Und mit "Dogenzaka" hat der von so manchem böswilligen Dilettanten als Prinz Eisenschmerz Verschmähte seinen bislang längsten Song überhaupt geschaffen. Episch trifft es. Ziemlich sogar.
"Marginalien", beschwichtigen die einen. "Kleinvieh macht auch Mist", ermahnen die anderen. Dass irgendetwas anders ist – ohne zu behaupten, da läge was im Argen – verspricht aber auch schon die Cover-Gestaltung. Bislang hatte er schmale Schmachtfetzer noch immer auf Schwarz-Weiß oder zumindest Pastellig-Verschwommenes Vintage-Design gesetzt. Sogar einen gewissen, nicht gerade unmutigen Hang zum Hässlichen hätte man ihm unterstellen können. Die Information, dass es sich dabei um Werke Maximilian Heckers handelt, stand mal klein und mal gar nicht drauf. "Mirage Of Bliss" beendet diese Traditionen. Nur nach dem Cover zu urteilen, könnten Heckers neunter Streich und James Blunts letztes Album gar nicht so weit voneinander entfernt sein.
Aber die Intuition sagt einem ja auch, dass Kühe Milch trinken. Der Vergleich mit Ex-Zombies Fronter Colin Blunstone jedenfalls trägt sehr viel weiter. Und auch, wenn dieser Britte mit ganzem Herzen Popper war und ist, Brit-Pop kann das, was Maximilian Hecker auf "Mirage of Bliss" zelebriert, niemals sein. Nicht, wenn diesen Anspruch auch von den üblichen Verdächtigen erhoben bleibt: sorry, keinen Bock auf Morningglory. Eine Behauptung übrigens, die sich angesichts des komplexen musikalischen Reichtums auf Songs wie “Silent, Lucid Flashes” von selbst ad absurdum führt.
Wie auch immer dem sei: auf seinem aktuellen Album hat Maximilian Hecker seinen modus operandi – wie fasst man das jetzt am besten – institutionalisiert. Seiner allgemeinen Schwermut war das kaum abträglich. Er inszeniert sie lediglich routinierter. Gut so. Und traurig schön.