Lady Sleep CD

Lady Sleep

CD/DLP, Kitty-Yo 2005


Financial Times Deutschland | Lady Sleep

back Das traurige Falsett von Berlin ist zurück. Maximilian Hecker, letztes Jahr mit dem Goethe-Institut auf Welt-Tournee, hat sein neues Album 'Lady Sleep' fertig und wirft erneut die Frage auf: Wieviel Seelenschmerz passt in 60 Minuten Musik?

Der zarte Beau aus Berlin-Mitte hat noch zur Jahrtausendwende als Straßenmusiker am Hackeschen Markt tieftraurige Coverversionen von Oasis gegen markerschütternd geringe Tagesgagen zum besten gegeben. Bis er dann im Herbst 2001 mit seinem Debüt 'Infinite Love Songs' den Begriffen Zerbrechlichkeit und Sentimentalität in der zeitgenössischen Popmusik eine neue Bedeutung verlieh. Menschen und Medien überschlugen sich und feierten den schüchternen Jungen als "die Zukunft des Pop" (taz) und sahen in ihm "eine Mischung aus Travis und Beatles" (Süddeutsche Zeitung).

Der junge Songwriter ließ sich von dem öffentlichen Gejaule nicht beirren und setzte seinen Weg ziemlich unbekümmert mit dem Liebeskummer-Epos 'Rose' fort. Hecker selber über diese Platte: "Der letzte verzweifelte Schrei, bevor alles für immer zu Ende ist." Selten hat jemand soviel Weltschmerz vertont. Scott Walker ginge dagegen als fröhlicher Zeitgenosse durch. Auch auf 'Lady Sleep' bewegt sich Hecker zwischen Liebesleid, Langsamkeit und bedrohlicher Traurigkeit. Die neuen Stücke sind wieder ergreifend, unendlich melancholisch und doch immer mit einer Spur verspielter Hoffnung versehen – sehr morbide eben.

Zuweilen ist das süßer als die Carpenters, dann wieder sphärisch wie Sigur Ròs und entrückt wie Radiohead. Bei aller Tränenseligkeit strahlt diese Musik auch immer eine angenehme Form von Harmonie aus "und, vor allem anderen, süße Sehnsucht" (Die Zeit).

Hecker hat erneut den Produzenten gewechselt. Nach Tommi Eckart von 2-Raumwohnung und Gareth Jones (Depeche Mode, Einstürzende Neubauten) hat das neue Album nun Guy Sternberg (LowSwing Studios) produziert, der bereits als Ton-Ingenieur an 'Rose' beteiligt war. Sternberg hat aus akkustischen Gitarren, Klaviersätzen und Streichquartetten den typischen Hecker-Sound gebastelt, aber noch ein Stück pointierter ('Birch') und klarer ('Lady Sleep').

Heraus ragt das elegische 'Help Me', die erste Single. Hecker steigert sich in diesem Stück in eine Form von Ausweglosigkeit und Verlangsamung, dass einem angst und bange werden kann. Auch 'Snow' läßt schon fast eine Art Todessehnsucht befürchten: "Doubts have vanished. All is clear. White, smooth, endless, outright, sheer. And I smile as I rise into heaven." Aber: Ist ja nur Pop-Musik. Lediglich mit dem Song 'Yeah, She Eventually She Goes' bricht er mit seiner üblichen Gangart – plötzlich zerschneiden scharfe Nirvana-Gitarren die finstere Getragenheit und es wird zur Abwechslung mal richtig laut. Hecker selber meint: "Das zentrale Thema dieser Platte ist die Sehnsucht nach Symbiose, Liebe, Tod, Narkose, Glückseligkeit und Wahnsinn." Das war indes auf den vorherigen Platten nicht anders und wird sich mutmaßlich bei diesem Künstler auch nie ändern. Wieso auch? Kaum jemand kann so wunderbar traurige Musik machen wie Maximilian Hecker. Für Leichtverdauliches und Fröhliches sind dann andere zuständig.