Immer der gleiche Scheiß
Man könnte nun sagen: Maximilian Hecker ist zu alter Form zurückgekehrt. Auf seinem neuen Album, "Mirage Of Bliss", klingt der singende Schmerzensmann wieder ganz so wie der melancholische Troubadour, der in den frühen nuller Jahren zum Undergroundliebling in Berlin wurde und im fernen Osten sogar zum Teeniestar. Die Melodien sind episch, die Arrangements üppig, das Leid ist groß.
Man könnte aber auch sagen: Maximilian Hecker hat nichts dazugelernt. Dieser Eindruck drängt sich vor allem auf, wenn man sein erstes Buch liest, das zeitgleich zum neuen Album am kommenden Freitag erscheint. In "The Rise And Fall Of Maximilian Hecker" protokolliert der Künstler detailliert, wie es zu seiner Kunst kommt. Oder genauer: Wie der - nach Eigeneinschätzung - "Popstar-Legastheniker" seit Jahren vergeblich versucht, sich halbwegs glücklich zu verlieben. Oder wenigstens seinen Erfolg auszunutzen und endlich mal ein bisschen Sex zu haben.
Das Fazit der 288 Seiten: Hecker, der am Donnerstag auch schon 35 Jahre alt wird, suhlt sich seit Jahren lustvoll im eigenen Unglück. Beständig wiederholt sich in diesen kein bisschen literarisch verfremdeten Bekenntnissen dasselbe Muster: Der tragische Held verliebt sich in eine unerreichbare Schönheit, die ihn ganz süß findet, dann aber doch nicht mit ihm ins Bett will.
Dann leidet der Held sehr ausführlich. Vor allem in Taiwan, Korea, Japan oder China, wo Hecker immer noch die mittelgroßen Hallen mit hysterischen Teenagern füllt, missversteht er die fernöstliche Höflichkeit gern mal als sexuelle Offerte.
"Hecker, immer der gleiche Scheiß", schreibt Hecker. Aber trotz seines Wissens um die eigenen Mechanismen gelingt es ihm nicht, das Suhlen im eigenen Unglück zu überwinden und es als das zu den Akten zu legen, was es ist: spätpubertär.
Das nimmt zum Teil groteske Züge an, wenn sich der Künstler mal wieder um den Sitz seiner Frisur sorgt - und erleichtert von der Entdeckung des Glätteisens berichtet. Das Grundproblem ist aber natürlich existenzieller: "Es ist tief, ewig und melancholisch", schreibt Hecker über einen eigentlich fröhlich verlaufenden Abend, "und es trägt den Tod in sich, so wie jedes echte Glück."
Was aus den Aufzeichnungen vor allem zu lernen ist: Der allzu oft als Heulboje oder Jammerlappen geschmähte Hecker meint das alles ernst, die Todessehnsucht, die Suche nach der großen Liebe, das Leiden an seiner, wie er es nennt, "Behinderung", seiner "ständig zu zerbröckeln drohenden Imitation eines Selbstbewusstseins". Die Ängste, der Schmerz, der Gefühlsnotstand, das ist alles echt - nicht etwa, wie ihm hierzulande gern mal unterstellt wurde, ironisch gebrochen.
Seine Seele, schreibt er, "ist einfach geschunden, verwahrlost, leergesaugt von dem Scheiß mit den Frauen". Das ist nicht schön für Hecker, aber für den Hörer. Denn weil er mindestens so distanzlos singt, wie er schreibt, entstehen gerade aus diesen Entwicklungsdefekten weiter so wunderbare Lieder wie auf "Mirage Of Bliss". Das Buch endet mit Heckers emotionalem Zusammenbruch auf einer Japan-Tournee 2009, den er auf dem ein Jahr später erschienenen Album "I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son" verarbeitete. Das war denkbar karg eingespielt, nur mit Stimme und Klavier in der eigenen Wohnung.
Auch diesmal entwarf Hecker seine Songs mit einem Diktiergerät, nahm sie dann aber mit dem Produzenten Youth, der durch seine Zusammenarbeit mit Paul McCartney, The Verve und Embrace bekannt geworden ist, in dessen Studio in Südspanien auf, und das mit allen Schikanen. So wurde Hecker wieder ganz der Alte. "Nur Leiden führt zum Glück", schreibt Hecker. Das ist natürlich Quatsch. Aber Leiden kann zu großartigen Liedern führen. Es geht Maximilian Hecker schlecht. Aber das hört sich gut an.