Der letzte Romantiker



teleschau: Wie kam es dazu, dass Sie ein Buch geschrieben haben?

Maximilian Hecker: Ich machte mir schon immer Aufzeichnungen von besonderen Erlebnissen und schrieb am Ende des Jahres eine Art rückblickendes Tagebuch. Ein Drittel oder sogar die Hälfte von dem, was jetzt das Buch ausmacht, hatte ich also gewissermaßen fertig. Als ich dann "The Tokyo Diaries" von David Schumann und die Kolumnensammlung "52 Wochenenden" von Jens Friebe las, merkte ich, dass meine Texte gar nicht so unähnlich sind und ich fragte mich, ob ich nicht jemanden finden könnte, der sie veröffentlichen will.

teleschau: Und dann?

Hecker: Dann meldete sich eines Tages ein Literaturagent, der ein Interview mit mir gelesen hatte und mich fragte, ob ich nicht ein Buch schreiben wolle. Er motivierte mich dann, nicht nur über meine Erlebnisse in Asien zu schreiben, was zunächst mein Plan war, sondern als Gegenpol auch meine Zeit in Berlin zu beschreiben. Ich will jetzt aber nicht als Schriftsteller auftreten und sagen, dass das mein neuer Beruf ist. Ich sehe das eher als Experiment.

teleschau: Ihr Verlag bezeichnet das Buch als ein "intimes Dokument einer Selbstfindung". Würden Sie zustimmen?

Hecker: Ich würde sagen, es ist ein Entwicklungsroman ohne Entwicklung. Von Selbstfindung kann ich eher nicht berichten. Die Auflösung des Ganzen liegt außerhalb des Buches in der Zukunft. Das Buch heißt ja schließlich nicht "The Rise And Fall And Rise Of Maximilian Hecker". Ich erlebe mit Laura Chan eine scheinbar neuartige Liebe, finde dadurch etwas in mir selbst, glaube gereift zu sein, doch irgendwann merke ich, dass das gar nicht so ist. Ich versuche wieder in dieses berauschende Gefühl zurückzukehren, aber es gelingt mir nicht mehr und dann jage ich dem verlorenen Paradies hinterher. Das ist der "Fall Of Maximilian Hecker". Es gibt also noch einiges zu tun.

teleschau: Was war an Ihrer Liebe zu Laura Chan so besonders?

Hecker: Es war ja gar keine gegenseitige oder körperliche Liebe. Das macht es natürlich einfach. Aber das Besondere war, so glaube ich, dass das Verliebtheitsgefühl nicht mit einer Sorge im Sinne von "Was stelle ich denn jetzt an? Was schreibe ich ihr? Wie verführe ich sie?" einherging. Ich fühlte mich irgendwie anders. Glücklich und irgendwie erhaben. Reifer. Diese Liebe war so unmateriell und ohne die Nervosität, die bei mir sonst entsteht.

teleschau: Die konnte sich aber doch gar nicht entwickeln, weil ihre Angebetete nicht nur am anderen Ende der Welt saß, sondern außerdem in einer Partnerschaft war und nichts von Ihnen wissen wollte.

Hecker: Stimmt. Wenn ein Psychologe mein Buch betrachten würde, würde er vermutlich darauf kommen, dass in der Unmöglichkeit dieser Liebe meine Fantasie mit mir durchgegangen ist. Das kann natürlich sein. Aber ich habe es in dem Moment subjektiv natürlich anders empfunden, als eine Art Erweckungserlebnis. Vielleicht ging es auch gar nicht um Laura als Person, aber durch diese Begegnung entdeckte ich etwas in mir, so etwas wie das wahre Selbst - was immer das ist, aber ich nenne es jetzt mal so. Auch wenn es dann keine echte Liebe war, war diese temporäre Selbstfindung real.

teleschau: Es tauchen noch einige andere Mädchen in dem Buch auf, in die Sie sich temporär verlieben, aber klappen tut es nie. Was ist da los?

Hecker: Zum Großteil sind das ja Frauen, denen ich auf meinen Asientourneen begegnet bin, die durchaus auch an mir interessiert sind und flirten. Doch sobald ich versuche, das Ganze in eine Dating-Richtung zu bringen, sind sie plötzlich unauffindbar. Das liegt manchmal auch daran, dass sie sich schützen wollen. Frauen sind da ja immer recht weise, Männer überhaupt nicht. Ich glaube, es gibt sehr wenige Männer, die einen One Night Stand mit einer attraktiven Frau ausschlagen würden, weil sie vielleicht verletzt werden könnten. Frauen machen das. Allerdings erlebe ich das gleiche auch in Berlin. Ich glaube, ich mache einfach etwas falsch. Ich bin zu romantisch. Die Frauen denken dann, ich hätte sie nicht alle oder würde es nicht ernst meinen.

teleschau: Also ist Romantik heute nicht mehr in?

Hecker: Ich will da nur an eine furchtbare Szene aus "Sex and the City" erinnern, wo alle vier Frauen abkotzen, weil der Russe Aleksandr Petrovsky Carrie ein Lied geschrieben hat. Das ist doch wunderbar, dass er das macht! Aber diese amerikanischen Frauen können einfach nicht damit umgehen.

teleschau: Dabei denkt man doch, dass Frauen es toll finden, wenn ein Mann ihnen ein Lied schreibt.

Hecker: Das ist ein Klischee. Sobald man davon betroffen ist, ist das vorbei. Wenn ich Ihnen jetzt ein Lied schreiben würde, würden Sie es vermutlich auch nicht gut finden. Vielleicht kann man die Frauen in Berlin einfach nicht mit Blumen und Liedern begeistern, sondern mit Sprüchen wie "Hey Baby! Das ist mein John Thomas! 30 Zentimeter! Was sagt du dazu?"

teleschau: Auf Ihrem Album geht es trotzdem um die Liebe. Sie haben für die Texte besonders lyrische Passagen Ihres Buches übersetzt.

Hecker: Genau, in dem Album stecken viele Themen aus dem Buch.

teleschau: Die Songs darauf sind üppig und opulent. Mit Ihrem letzten Album waren Sie noch zur Straßenmusik zurückgekehrt. Woher der Wandel?

Hecker: Ohne das letzte Album hätte ich dieses nicht machen können. Ich wusste damals nicht, ob ich weiter Musiker sein kann. Ich hatte meine Stimme verloren und auch wirtschaftlich sah es nicht gut aus. Eines Nachts lief ich dann alleine und betrunken durch Tokio und landete am Ende bei einer Prostituierten. Das war für mich ein Zeichen, dass in meinem Leben etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Ich machte Sachen, die ich nicht für möglich gehalten hätte und führte einen Lebensstil, der gar nicht zu mir passt, sondern eher ein Zeichen einer Verzweiflung war. Ich wusste, dass sich etwas ändern muss. Als ich wieder mit der Straßenmusik anfing, merkte ich, worum es geht. Um das Singen. So ist das letzte Album entstanden.

teleschau: Dieses Mal hingegen haben Sie mit dem bekannten Produzenten Youth aufgenommen. Wollten Sie es mit diesem Album noch mal wissen?

Hecker: Da hat mir mein Manager auch in den Arsch getreten. Ich hatte eigentlich schon abgeschlossen. Ich wollte das Buch herausbringen und dazu ein Verarschungs-Techno-Album, das ich seit Jahren im Schrank liegen habe. Aber dann wollte ich einfach mal sehen, ob sich auf meine Demos nicht doch jemand meldet. Und es war tatsächlich so.

teleschau: Ein Happy-End. Sind Sie denn optimistisch, dass es bei Ihnen auch in der Liebe noch mal klappt?

Hecker: Eigentlich nicht, nein. Aber dennoch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.