back Nur, um deinen Fans doch mal eine kleine Einsicht in dein eigenes Empfinden in Bezug auf dein letztes Album "Lady Sleep" zu geben: Beschreibe es doch mal bitte anhand von drei Adjektiven.

Ja, also "einlullend" finde ich ganz gut. Das wär ja schon mal eins. Dann, übertrieben ausgedrückt, vielleicht "erlösend". Und ganz einfach: schön.

Ein krasser Gegensatz zu manchen Rezensionen. Denn ich habe kürzlich gelesen, dass man meint, dass du mit deinem letzten Album den Bogen überspannt hast, dass du nichts mehr zu sagen hast, dein Album einfach nichts Neues in sich birgt. Denkt man da nicht vielleicht an eine Veränderung? Oder vielleicht an eine Zusammenarbeit mit anderen Künstlern?

Nee, das nicht. Aber abgesehen davon: Ich mache diese Musik ja nicht dazu, um zu missfallen oder zu gefallen. Es gibt zwar immer das Interesse, das auch ökonomisch zu nutzen, aber in erster Line dreht sich das schon sehr um mich, ich meine, das merkt auch an den Texten. Das sind nicht Texte, die sich mit Gefühlen von anderen oder sozialen Themen oder der Umwelt an sich beschäftigen, sondern das dreht sich immer nur um mich und meine Gefühle, also das Ganze ist sehr egozentrisch, wenn man das Wort mal wertfrei benutzt. Ich mache Musik eben nicht, damit das jemand gut oder schlecht findet. Das ist nur ein Nebeneffekt, wenn man veröffentlicht ist. Ich glaub, das Gute ist auch: Das scheint zu polarisieren. Wenn dann jemand den Herzschmerz oder die Aggressionen darüber verspürt, dann ist das ja eigentlich ein gutes Zeichen, dass ich eben scheinbar Emotionen treffe. Ist ja nun egal, ob sich jemand dagegen wehrt, sich davon tragen oder eben einlullen lässt, das ist immer ein gutes Zeichen, denke ich.

Schon seit längerer Zeit herrscht hierzulande ja nun der Deutschland-Hype, gekrönt wahrscheinlich durch Veranstaltungen wie den Bundesvision Song Contest. Ist das denn für dich als deutschen Künstler überhaupt gerechtfertigt?

Och, gerechtfertigt? Das ist einfach eine Phase, die es jetzt gibt, oder eine Art Reaktion darauf, dass deutschsprachige Texte sehr unmodern waren eine gewisse Zeit lang, die Orientierung an hauptsächlich amerikanischen und englischen Vorbildern mehr verbreitet war früher, und das ist einfach mehr so eine Rückbesinnung auf die eigene Sprache. Ich meine, das ist doch eigentlich ganz gut für die Wirtschaft und das Selbstbewusstsein der Musiker. Mich betrifft das ja nicht so, weil ich nur englische Texte habe und ich auf dieser Welle gar nicht mitschwimmen kann. Aber ich habe selber selten deutschsprachige Musik gehört, früher eben mal Tocotronic ein paar Jahre, aber so an sich gefällt mir das sowieso nicht so gut.

Gibt es denn überhaupt Künstler, mit denen du dich auf eine Ebene stellen würdest?

Nein.

Warum nicht?

Tja, ich weiß nicht, vielleicht ist der Hass auf das eigene Land sozusagen nur ein Ausdruck von dem Hass auf sich selbst in einer anderen Ebene. Der Minderwertigkeitskomplex äußert sich eben darin, dass man auch alles aus seiner näheren Umgebung dann hasst, weil sie an einen selbst erinnert. Und dann versucht man, sich von sich selbst oder seinem Land zu entfernen. Insofern würde ich jetzt gar nicht mal sagen, es ist lobenswert oder positiv, dass ich musikalisch nichts mit Deutschland zu tun haben möchte. Das ist nun mal so, ich denke nicht, dass ich mich damit sozusagen rühmen könnte oder sagen: "Das ist halt besser als Tomte" oder so. Wie schon gesagt, es spricht wohl eher vielleicht für ein schwaches Selbstbewusstsein.

Genauso herrscht ja aber auch das Zeitalter der Schul- und Garagenbands. Vielleicht kennst du den neuesten Export aus England, die Arctic Monkeys. Du selber hast dich auch in deiner Schulzeit bandmäßig betätigt. Denkst du denn, dass diese Welle aus England begrüßenswert ist oder stehst du dem auch eher kritisch gegenüber?

Ich glaube, dass zumindest die Presse viel zu viel auf Instrumentierung und Arrangements und so was achtet, das ist aber gar nicht wichtig. Also, entweder da ist jemand talentiert und macht gute Lieder oder nicht. Und ob das nun eine Garagenband ist oder ein Streichquartett oder ein Singer/Songwriter, das ist, glaube ich, nicht so entscheidend. Es kommt immer auf die Qualität an und das Talent. Diese Einordnung ist vielleicht, na ja, einfach irrelevant. Ich kann ja sagen: "Ist mir doch egal, ob das Garage ist oder nicht, wenn die gut sind, dann sind die gut." Dann werden sie auch überleben. Aber die Bands, die im Zuge dessen auch gesigned werden, weil sie ähnlich klingen, die werden dann eben nicht überleben. Die, die überleben, sind dann die, die Qualität haben.

Gibt es denn in dieser Hinsicht vielleicht auch zur Zeit ein Land, das für dich durch seine Musik besticht?

Kann ich jetzt so nicht sagen, ich höre auch nicht viel Aktuelles. Keine Ahnung, England bestimmt.

Hast du denn überhaupt eine Zielgruppe? Ich für meinen Teil bekomme das immer so unterschiedlich mit durch einige Erlebnisse, dass sich mir diese Frage direkt aufwirft. Willst du mehr Groupies in der ersten Reihe oder bist du doch eher für das ältere, reifere Kaliber?

Nö, wem es eben gefällt. Wenn ich an eine Zielgruppe dächte, dann würde ich mir widersprechen. Dann wäre es ja so, dass man zuerst an eine Zielgruppe oder die Kritiker denken würde und so die Musik komplett macht.

Und wieso denkst du, dass zum Beispiel Jungs zu deiner Musik Headbangen, wie ich es mitbekommen habe? Wieso fühlen die sich in dem Sinne von deiner Musik angesprochen? Die gehören ja nun nicht unbedingt zu deiner theoretischen Zielgruppe, könnte man doch nämlich meinen, dass deine Musik wohl eher für Mädchen ist und nicht für solche Jungs.

Nein, das wäre ja ganz schrecklich. Ich weiß nicht. Also unabhängig vom Geschlecht, ich glaube, es gibt dieses Missverständnis, dass meine Musik etwas Softes hätte oder ich selbst ein Softie wäre und das dann Frauen sich eben angesprochen fühlen, weil der Machotrend mittlerweile besiegelt ist, aber ich denke, die Musik ist weder noch soft, gesamt betrachtet. Ich glaube einfach, wer sich angesprochen fühlt und wiedererkennt, der mag das. Denn wenn man etwas mag, liebt, dann bedeutet das immer, dass man auch etwas von sich in dieser Sache erkennt. Also wenn man einen Partner findet, dann ist das nicht Zufall, sondern heißt auch, dass man eine gewisse Selbstliebe in dem anderen Objekt ausleben kann. Insofern, hat das nur bedeutet, dass es die Jungs einfach gut fanden und es ihnen auch nicht peinlich war, das zu zeigen.

Ich habe gelesen, dass einige deiner Hörer deine Musik falsch verstehen. Zum Beispiel in der Gothik-Szene wirst du angepriesen, mit Tod, Tränen und alledem. Wieso verstehen das denn nicht so viele richtig und sind fehlgeleitet in ihrer Annahme?

Man muss sich wohl, glaube ich, etwas länger damit beschäftigen, nehme ich an. Und die Texte nicht wörtlich nehmen, das ist klar, die sind eben auch nicht wörtlich gemeint, eher symbolhaft. Wenn ich zum Beispiel vom Tod rede, dann meine ich nichts Morbides, sondern, wenn man so will, ewige Ruhe, also ewigen Frieden. Etwas, nach dem sich der Mensch, denke ich mal, sehnt. Dass sich sozusagen die Spannung des Lebens, der Realität sich auflöst in eine Entspannung, das allein schon ist ja ein physikalisches Prinzip. Die Sehnsucht nach innerem Frieden drücke in dann aus, indem ich zum Beispiel von Narkose, Tod und so was singe. Oder Lady Sleep, die Personifizierung des Schlafes, die Sehnsucht nach der andauernden Affäre mit dieser Lady, die ja gleichbedeutend ist für Tod, ewigen Schlaf und ewiger Ruhe, auch Erlösung. Das ist vielleicht auch eine Frage der Kultur. Es gibt bestimmt auch Kulturen oder Religionen, bei denen der Tod nicht so negativ behandelt wird und nur als Übergangsstadium in andere Ebene gesehen wird. Ich denke halt, dass dieses Erleben für mich mehr in Momenten der Ruhe, in Momenten, die nicht euphorisch sind, sondern eher in ausgehakten Momenten, in denen, wenn man so will, die Zeit still steht. Momente, in denen man es anlegt, der Realität zu entkommen und ein bisschen einen außenweltlichen Zustand zu spüren. Und das sind durchaus Momente, die eben nicht weiß oder schwarz sind, sondern vielleicht sogar grau, eben auch ruhig und, wenn man so will, langweilig – und das beinhaltet nun einmal nicht alles.

Woher nimmst du denn eigentlich die Inspiration für deine "Poesiealbum-Lyrik"?

Ich weiß nicht, Texte sind ja nur ein notwendiges Übel. Keine Ahnung, irgendwo mal hingehört oder so. Texte, na ja, gehören halt leider dazu. Das Problem ist, dass Texte für mich vielleicht 10% des Liedes ausmachen und für einen Kritiker dann eben 90%. Die halten sich dann immer daran auf, was ich da irgendwie vielleicht gesagt oder im dictionary nachgeguckt habe und nehmen das für ernst und wichtig. Dabei geht es doch um die Musik und die Schönheit der Musik, den Klang, aber nicht so sehr um den Text. Sigur Ros haben es da toll, die versteht keiner, die singen überhaupt in keiner Sprache und da gibt es auch keinen, der fragt: "Warum bist du denn immer so traurig?", das ist ja eigentlich der Idealzustand.

Deine Lieder haben immer einen sehr intimen Anschein, wohl auch wegen der Texte. Gehört denn dann für dich Mut dazu, auf die Bühne zu gehen? Schließlich wird ja immer gesagt, dass du sehr schüchtern auf der Bühne bist.

Nee, also wenn ich Mut bräuchte, dann hätte ich den falschen Beruf ausgewählt, denn im Grunde bin ja allein auf der Bühne, weil es um mich geht.

Bei vielen Bands ist es der Fall, dass sie ein gewisses Image pflegen. Ist das bei dir auch so?

Na ja, du darfst jetzt aber nicht von den Klischees ausgehen, ich meine, du weißt ja auch gar nicht, ob Madonna Imagepflege betreibt.

Ja, das schon, aber es wird zum Beispiel immer gesagt, dass du der sensible, romantische Junge im Parka bist.

Nein, so eigentlich nicht, nicht im Sinne des Geschäfts. Wie gesagt: Wenn die Leute die Musik nicht verstehen oder nicht gut finden, dann habe ich sowieso Pech gehabt. Ich werde doch nicht irgendwie versuchen, durch irgendwelche Taschenspielertricks, noch am Leben zu bleiben. Wenn die Musik alleine nicht wirkt, dann kann ich nach Hause gehen, mir sozusagen eine Maurerkelle kaufen, wie es so schön heißt, und Maurer werden. Deshalb würde nie ich auf der Bühne eine Art von Show machen, erstens habe ich da überhaupt keine Lust dazu und zweitens finde ich das peinlich. Das Lied muss wirken und wenn es das nicht tut, dann sage ich: "Na ja, dann gehe ich jetzt mal nach Hause.". Soll heißen: Eine bewusste Image-Pflege gibt es bei mir nicht.

Aber in der "Persona Non Grata" gab es mal ein interessantes Interview, in dem du ganz anders warst, zumindest von der Art her. Nicht mehr der sensible Junge mit dem Parka und der Oasis-Frisur.

Ja und dann hast du dir doch sofort gedacht: "Ja ja, so ist das halt mit den Medien.". Oder? Ist ja klar, dass das nicht immer alles so zusammen passt.

So ungefähr, es war wohl eher ein wenig verwirrend. Genauso verwirrend: Deine Videos, kannst du da vielleicht mal den Sinn erklären, der dahinter steckt? Denn verständlich sind die ja nun nicht unbedingt, wie zum Beispiel der Clip zu "Polyester".

Ach, ich verstehe die auch nicht. Ich hasse Videos. Deshalb hab ich als letztes Video auch eins gemacht, in dem ich nicht auftrete. Es werden Videos gedreht und dann kommen Leute an, mit einem sogenannten Treatment und dann sagt der Label-Chef: "Ja, das ist toll, das sind Studenten, die machen es für umsonst, die haben sowieso kein Geld". Ich habe dann gesagt, dass ich eigentlich nur schöne Bilder will, es sollen keine anderen vorkommen, notfalls vielleicht Frauen, aber keinen anderen Mann, und so war es dann auch. Aber nein, zu verstehen gibt es da nichts.

Und was sind die musikalischen Aussichten in diesem Jahr in Hinsicht auf dich?

Ein neue Platte im Herbst und auch eine Tour, also Studio dann im April und im Herbst eben die Veröffentlichung.

Vielleicht mal eine allseits beliebte Frage zum Schluss: Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du dir denn genau in diesem Moment wünschen?

Früher habe ich mir immer gewünscht, dass ich keine neurotischen Veranlagungen mehr habe. Aber eigentlich beantworte ich solche Fragen gar nicht, das geht sowieso nicht, denn ich hab ja im Grunde gar keine Wünsche frei, also jetzt und in dem Moment. Aber okay, ich spiel mal mit. Vielleicht, dass ich etwas glättere Haare hätte, das nehmen wir, und eine Wohnung mit Zentralheizung. Keine Hämorrhoiden, ha, jetzt habe ich was gefunden. Ach quatsch, ich hab eben nur zwei Wünsche.