„Texte verwirren die Leute immer“


Darf ich Dich etwas über Kate Moss fragen?

Ja.

Ich habe gelesen, dass Du Kate Moss das letzte Album durch einen Bekannten zukommen lassen wolltest. Hat sie Dir Feedback gegeben?

Das hat, glaube ich, nicht funktioniert. Ich habe auch kein Feedback bekommen. Und neulich, als ich die Möglichkeit hatte, Kate Moss zu sehen als sie auf einer Party in Berlin war, von der ich wusste und ich hätte auch hingehen können, bin ich mit einer mich erstaunenden Seelenruhe zu Hause geblieben, weil ich in diesem Jahr gelernt hatte wie wenig es bringt, solchen "Bildern" beziehungsweise Berühmten hinterherzulaufen.

Wodurch hast Du das gelernt?

Durch die allgemeine Lebenserfahrung. Und ich wusste auch, dass es nichts demütigenderes gibt, als Kate Moss in einer Disko anzusprechen. Da dachte ich, entweder ich lerne sie nie kennen oder sie spricht mich an. Aber eine andere Variante "schockt" sozusagen einfach nicht.

Also hast Du noch nicht ganz aufgegeben?

Nein. Abgesehen davon, man darf das nicht falsch verstehen: Ich bin nicht besessen von Kate Moss! Ich will sie auch nicht heiraten. Es ist mehr so eine Art roter Faden in meinen Zitaten. Am Anfang habe ich für eine begehrenswerte Frau, die jeder kennt, einfach mal Kate Moss genannt, weil ich die lieber nennen wollte als Claudia Schiffer oder Brigitte Bardot, was weiß ich. Mit einer gewissen Selbstironie habe ich dann auch das Lied so betitelt. Und dann macht es natürlich nach außen hin den Eindruck, ich wäre von Kate Moss besessen. Bin ich aber nicht. Es ist mehr so eine Art Symbol gewesen, das ich gewählt habe, damit jeder weiß was ich in dem Satz meine. Wenn ich jetzt sage Lieschen Müller von nebenan finde ich toll, dann wissen die Leute weniger über Lieschen Müller Bescheid, als über Kate Moss.

Aber dich haben schon eine Menge Leute damit konfrontiert oder?

Ja, aber das ist ja auch meine Schuld, wenn ich das Lied so nenne.

Du warst viel im Ausland unterwegs mit dem letzten Album ...

Ja, in Europa und in Israel war ich auch immer schon unterwegs. Letztes Jahr war ich halt in der ganzen Welt unterwegs, über das Goethe Institut. Die haben eine Welttournee für mich und Barbara Morgenstern organisiert und die ging über vier Monate und über alle Kontinente.

Wie waren denn dort die Reaktionen?

Immer sehr gut eigentlich. In vielen Ländern, in denen wir gespielt haben sind die Leute auch nicht gewohnt, Musik aus dem Westen bzw. Europa zu hören und haben auch größtenteils kein Geld, um sich Konzerte zu leisten. Insofern hatten wir schon den Exotenbonus.

Welcher war denn der exotischste Ort, an dem Du gespielt hast?

Da ist die Frage, wie man "exotisch" jetzt definiert.

Ich meine jetzt eher vom kulturellen Gesichtspunkt her gesehen.

Johannesburg war für uns exotisch, Bombay, Sankt Petersburg auch, muss ich sagen, und Usbekistan.

Hatten die Leute vorher schon die Möglichkeit, deine Musik im Radio zu hören oder sind die einfach so gekommen?

Wenig. In einigen Ländern natürlich schon. Da wo ich vorher schon gespielt habe, in Europa zum Beispiel. In Südkorea und China werden meine Platten verkauft und da kannten die Leute das natürlich, aber in den meisten der fernen Länder nicht.

War das eine bedeutend andere Erfahrung, vor diesem Publikum aufzutreten, als zum Beispiel vor einem deutschen Publikum? Oder ist das eher eine Kopfsache?

Man ist letztlich immer auf einer Bühne in irgendeinem Raum und muss immer seine Lieder singen, durch seinen privaten Tunnel. Insofern war es keine besonders andere Erfahrung, aber insgesamt natürlich schon eine besondere.

Du hast im letzten Interview mit Alternativenation gesagt, es sei eigentlich absurd über Musik zu sprechen. Wie hast Du das gemeint?

Ich meine, es ist absurd, so Interviews zu geben, weil man zu Entmystifizierung beiträgt und die braucht man ja, wenn man Musikhörer ist. Aber das ist natürlich auch Teil des Berufes. Am liebsten würde ich das natürlich so machen, wie Radiohead das bei Kid A gemacht haben: Zu Hause einschließen und dann sollen die Leute mal gucken, was sie von der Platte haben.

Lass uns trotzdem über dein neues Album sprechen. Was mir aufgefallen ist: Bei 'Infinite Love Songs' und 'Rose' hattest Du immer Songs mit Synthesizern oder auch fast danceartige Nummern. Die sind auf Lady Sleep nicht mehr zu finden ...

Auf diese Sachen wollte auch ganz bewusst verzichten. Ich habe nie elektronische Musik gehört oder bevorzugt oder gemocht. Es war aber so, dass mich hin und wieder der Teufel geritten hat, auch mal auszuprobieren, ob ich auch so etwas kann, was die anderen alle immer machen und was dann so im Radio läuft und habe dann aber Gefallen, im Grunde jetzt nicht am Arrangement, aber an den Stücken gefunden, die ich da gemacht hatte und dachte, na gut, dann kommen die halt auch aufs Album. Es ist ja dennoch von mir, auch wenn es in einem Gewand ist, das mir eigentlich überhaupt nicht liegt. Trotzdem wollte ich mich davon entfernen, weil die Herangehensweise doch eine eher ironische war oder eine provokante. Und da dachte ich einfach, jetzt ist die Zeit dafür gekommen, sich endlich mal ruhig und Erwachsen darzustellen.

Es kommt mir auch so vor, dass das Album dadurch mehr wie aus einem Guss klingt. Und vorher gab es ja auch mal etwas lautere Ausbrüche ...

(fällt ein) Die gibt es aber auch. Ich weiß nicht, vielleicht hören die Leute das Album nicht immer ganz durch. Beim zehnten Stück sind unglaublich laute Ausbrüche ...

Da wollte ich auch noch drauf zu sprechen kommen.

(lacht) Ja okay.

Nämlich 'Yeah, Eventually She Goes' und bei 'Birch' ist es auch so, dass es eine Stelle gibt, die ein bisschen lauter wird.

Also beim ersten Stück, das ist definitiv der lauteste Ausbruch, den ich bis jetzt auf einer Platte habe. Rein von den Dezibelzahlen.

Also siehst Du das nicht so, dass die Ausbrüche weniger geworden. Nimmt man sie vielleicht einfach weniger wahr, weil sie nicht so herausstechen?

Eigentlich nicht. Vielleicht ist das in Erinnerung, wenn bei dem Rose-Album das verzerrte Schlagzeug bei My Friends kommt, was viele Leute auch fehlinterpretierten als "Störgeräusch" ... Das ist natürlich in der Wirkung noch drastischer als der laute Teil bei Birch, der ja eventuell eher daran erinnert, wenn bei Beethoven ein Teil besonders laut ist. Vielleicht nicht ganz so provokant arrangiert, ja.

Das Album wirkt einheitlicher, runder. Die Musik scheint mehr zu fließen. War das beabsichtigt?

Bewusst beabsichtigt, kann man nicht sagen. Ich weiß es nicht. Ich finde aber, es ist an der Zeit, sich deutlicher zu positionieren und einfach mal zu sagen: Ich bin ein traditioneller "klassischer" Musiker, meine Vorbilder sind die Beatles und was weiß ich, Radiohead, Simon and Garfunkel und Sigur Ròs beispielsweise und zwischen diesen Leuten möchte ich mich positionieren. Und ich möchte auch einfach wie die, besonders harmonische und schöne Stücke schreiben, Stücke, die einem das Leben versüßen, weil sie so schön sind. Und was mich immer wieder verwundert: Dass der Tenor in der Presse doch immer so ist, dass ich mich missverstanden fühle. Es heißt immer "Jammerlappen", "traurige Musik" und "zieht einen runter". Und mich zieht es überhaupt nicht runter. Unabhängig davon, dass diese Musik natürlich mein Produkt ist: Wenn ich diese Musik hören würde oder wenn ich Stücke, die ähnlich klingen, zum Beispiel von Radiohead höre, ist das einfach etwas, das mein Leben sehr bereichert und mich glücklich macht. Deshalb wundere ich mich immer über dieses Missverständnis. Dass die Leute das nicht mit meinen Ohren hören und raus hören, dass das einfach etwas schönes ist, was einfach so reingehen soll wie Butter. (lacht) Ich meine, wie siehst Du das?

Für mich hatte das erste Album schon einen eher melancholischen Tenor. Songs wie Today zum Beispiel, legen es ja schon nahe dass da jemand singt, der traurig ist. Oder wenn man auf Lady Sleep so Zeilen hört, wie "I’m Dying", das klingt nicht wirklich positiv ...

Es geht nicht um etwas Negatives, Beängstigendes und Morbides, sondern um eine regelrechte Vorfreude auf die Erlösung. Wenn ich zum Beispiel singe "I’m dying" und die Musik in dem Moment ist sehr episch und wunderschön und harmonisch, dann ist ja klar, dass diese Zeile positiv und erlösend gemeint ist. Und auch auf der ersten Platte, wenn ich singe "Today I will kill myself" und "Mother hold me tight", dass das durchweg einfach eine Vorfreude auf die Erlösung von der Last des Lebens ist. Und das einzige Problem ist eigentlich, dass der Tod oder die Erlösung vom Körper einfach in unserer Gesellschaft als etwas Morbides angesehen wird. Sobald jemand davon singt, meinen alle "der ist traurig, der will uns runterziehen bla bla" und erkennen nicht, dass genau das Gegenteil gemeint ist. Dass es um eine Entlastung geht und eine Last, die ja jeder Mensch im Alltag spürt, eine Entlastung, nach der sich jeder sehnt. Das Thema "Tod" wird einfach so unter den Teppich gekehrt und ich glaube das ist der Grund, warum ich missverstanden werde, weil es eben scheinbar so eine Art Missverständnis bezüglich des Lebens und des Todes gibt.

Das scheint tatsächlich so in unserer Gesellschaft zu sein, dass wenn man den Tod als etwas Schönes ansieht, man das Leben nicht besonders mögen kann ...

Aber abgesehen davon ist ja auch gerade in der christlichen Religion die Konzentrierung auf den Zustand nach dem Tod.

Hat deine Anschauung denn für dich etwas Religiöses?

Von den Vibes natürlich schon, aber ich bin nicht religiös.

Kann man denn nicht doch die Meinung vertreten, dass du das Leben als ein Leid ansiehst? Magst du vielleicht dieses Moment des Leidens?

Nein. (beide lachen) Nee, abgesehen davon: Ich glaube, es ist auch einfach ein Problem, dass man Texte singt. Sigur Ròs haben das gut gelöst. Texte verwirren die Leute immer. Ich will schöne Lieder machen, die die Leute glücklich machen. Scheinbar ist es mir nicht möglich, da ich missverstanden werde.

Themawechsel: Wie ist denn das Cover von Lady Sleep zustande gekommen?

Das ist auch aus einer Serie einer Malerin, aus deren Serien ich ja auch das Cover des ersten Albums Infinite Love Songs genommen hatte. Es handelt sich um eine Funktion bei Digitalkameras, mit der man auch im Stockdunklen fotografieren kann. Der Look von diesem Nachtsichtmodus ist grünlich und die Augen sind so, wie bei mir auf dem Bild. Und diese Fotovorlagen hat sie abgemalt, es ist kein Bild, das von vornherein komisch aussehen will, sondern es ist lediglich eine Dokumentation von solchen Nachtaufnahmen und passend zum Album deshalb, weil es sozusagen ein Schappschuss von mir ist, wie ich mich in der mich beschützenden Dunkelheit bewege und diese beschützende Dunkelheit repräsentiert den symbiotischen Zustand vor der Geburt. Da das ja auch eines der Themen des Albums ist, ist es einfach sehr passend.