Zwischen Leiden und Erlösung


Ach, die Liebe, sie kann die Menschen schon zerreißen, besonders wenn sie sich nicht erfüllt. Ein sensibler Songschreiber wie Maximilian Hecker kann mit seinem Sehnen und Leiden gleich mehrere Alben füllen. Sein neues, radikalromantisches Stück akustischer Streicheleinheiten trägt den Titel "Mirage Of Bliss". Und jede Note scheint mit Schmerzen erkauft, was wir aus dem gerade erschienenen autobiografischen Buch "The Rise And Fall Of Maximilian Hecker" erfahren. Es offenbart eine Künstlerseele zwischen Erfüllung und Selbsthass, zwischen Größenwahn und dem Gefühl, fürchterlich klein zu sein.

Köln, Café Lichtenberg. Hier sitzt der schmächtige 35-Jährige und nippt an seinem Mineralwasser. Es wäre schon ein gewaltiger Zufall, wenn ihn hier jemand erkennen würde. Hier ist er wieder "Klein-Maxi" aus dem ostwestfälischen Bünde, der lange Zeit am Hackeschen Markt in Berlin als Straßenmusiker gestanden hat.

Wenn er heute in Köln ein Konzert gäbe, kämen vielleicht 100 Fans. Zum gleichen Anlass in Berlin kämen 200 oder 300. Und spielte er heute in Tokio, Seoul, Hongkong oder Peking, wären es mindestens doppelt so viele. Denn das ist das Phänomen Maximilian Hecker: In Ostasien ein Indie-Star, in Ostwestfalen ein Sonderling. Genau hier liegt ein unlösbarer Konflikt: "Wenn ich in meiner Heimatstadt bin, dann erscheint mir auf einmal das recht glamouröse Leben in Asien erstrebenswert. Umgekehrt nehme ich in Asien plötzlich sehr viel von meinem Bünde-Ich wahr. Und dann denke ich: Das bin ich nicht. Ich bin Sohn meiner Eltern. Ich bin eher bürgerlich und vernünftig. Und vielleicht auch bescheiden."

Sein Buch enthüllt, dass Hecker es mit den romantischen Vorstellungen, die er auch auf "Mirage Of Bliss" besingt, todernst meint. Es ist keine Masche, keine Pop-Konvention, wenn er zärtlich leidend über den Verbleib der Liebe singt. Und auch wenn man denkt, dass der Titel "The Rise And Fall Of Maximilian Hecker" nur von jemandem stammen kann, der sich für einen neuen Bowie hält, wird schnell entwaffnet. "Der Titel ist eher verschmitzt gewählt und nicht größenwahnsinnig. 2001, noch vor meiner ersten Platte, wollte ein Filmemacher einen Film über mich drehen: ,The Rise And Fall eines Berliner Pop-Romeos’. Das trifft den roten Faden meiner autobiografischen Erzählung. Es geht nicht um meine Karriere, sondern darum, was in mir geschehen ist: innerer Aufstieg und innerer Fall. Es geht um das kurze Aufblitzen einer inneren Reife. Um ein Sichwohlfühlen in der Gegenwart und in der Welt. Durch eine Frau oder durch das Verliebtsein."

Und gerade in diesem Punkt scheitert Hecker immer wieder, sei es in Berlin oder in Tokio, das er zwischenzeitlich als Ort der Erlösung ansah. Scheitert an der mangelnden Erwiderung oder an den eigenen, zu hohen Ansprüchen an eine Beziehung. "Früher habe ich meine Erlösungsfantasien auf bestimmte Dinge projiziert. Und irgendwann begann ich dann, diese Erlösungsfantasien auf Asien und asiatische Frauen zu projizieren. Der Fehler liegt natürlich in dieser ursprünglichen Handlung der Projektion. Dass man immer denkt, dort wo ich nicht bin, ist die Erfüllung."

Dies beschreibt Hecker auf vielen Seiten in nicht immer eleganter, aber doch unverstellter Sprache – natürlich nicht ohne eine gewisse Wehleidigkeit. "Manche wollen mich als Reaktion auf das Buch an die Hand nehmen und sagen: Junge, reiß dich mal zusammen. Aber es dreht sich natürlich nicht um das pubertäre Klagen: Oh, ich kriege keine ab. Da ist schon sehr viel Lyrik drin."

Von dieser Selbstreflektion profitiert auch das Album "Mirage Of Bliss", das mit Songs wie "The Whereabouts Of Love" und "Heavenlies" einige der schönsten Balladen enthält, die Hecker je gelungen sind – ein Sound, bei dem man sich auf eine Sommerwiese legen und in die Sonne blinzeln möchte. Produziert wurde es von Youth, der eigentlich bei Killing Joke spielt, aber auch Alben von Heather Nova oder The Verve produziert hat.

Manchmal erinnert das an den Sound der Britpopper Travis: "Das Album ’The Man Who’ war ein ganz großer Einfluss", gibt Hecker denn auch zu. Zumindest scheint die Frage, warum es immer auf den Künstler regnet, ein guter Quell der Inspiration gewesen zu sein. Und so verlassen wir Hecker wieder, lassen ihn allein an seinem Tisch im Kölner Café Lichtenberg, allein mit seinem Mineralwasser. Denn auch, wenn es nicht eben der frömmste Wunsch ist: Solange bei all dem Leid so makellose Liebesballaden herauskommen wie auf "Mirage Of Bliss", möchte man als Hörer hoffen, dass Hecker nicht allzu schnell seine Erlösung findet.