Live Review: 2005-10-20 Hamburg, Fabrik

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back Das kann man sich nicht vorstellen. Nein, ehrlich jetzt, Maximilian Hecker live ist so schräg, dass man es selbst erlebt haben muss.

Da sitzt dieser junge Mann, der imstande ist, Musik zu schreiben von so hymnischer Epik, schwebender Leichtigkeit und sehnsüchtiger Schönheit, dass er allen Grund hätte, vor Selbstbewusstsein abzuheben. Die begeisterten Fans in der Hamburger Fabrik würden es ihm offensichtlich gönnen. Doch seine Körperhaltung sagt: "Ach bitte tut doch so, als ob ich nicht da wäre". Angesehen zu werden von so vielen Menschen, das ist so gar nicht sein Ding, und es klingt trotz aller Ironie ein bisschen ehrlich, wenn er meint "Ich hoffe, Ihr seid alle wegen Keren Ann gekommen." Überhaupt, dieses schreckliche Schicksal, Ansagen machen zu müssen. Obwohl seine Eltern ihm ja sagten, er müsse überhaupt nicht so viel reden auf der Bühne. Wenn es nach ihm selbst ginge, würde er ja gar nichts sagen, aber was würden denn die Leute da denken; die wären womöglich noch genervt von so viel Weinerlichkeit. Also gibt es zwischen zwei traurigen, innig und entrückt vorgetragenen Liebesliedern schon mal Sprüche wie "Ich grüße die Zwillinge und meinen Kegelkreis". All zu viel reden passt auch gar nicht ins Gesamtkonzept des Künstlers, wie Herr Hecker entsetzt nach ein paar Sätzen bemerkt: "Ich entmystifiziere mich hier gerade vollkommen, das geht nicht, so kann ich ja nie der deutsche Anthony Johnson werden."

Das Singen fällt ihm dann schon leichter; mit geschlossenen Augen haucht, schwelgt, schluchzt, singt und flüstert Hecker von Liebe, Schmerz, Sehnsucht und Einsamkeit. Getragen wird seine unverkennbare Falsettstimme von grandiosen Musikern, die es schaffen, den orchestralen Originalklang der Stücke in einen satten Liveband-Sound zu verwandeln. Da es sich um ein Doppelkonzert mit der Singer/Songwriterin Keren Ann handelt, ist Heckers Set nicht sehr lang. Umso erfreulicher, dass es einige unverbrauchte neue Stücke zu hören gibt wie zum Beispiel das sanft betörende 'Snow White'.

Es ist schade, dass sich Maximilian Hecker auf der Bühne nicht zu der Größe seiner Musik bekennt. Ein falscher Ton, den man fünf Sekunden danach verziehen und zehn Sekunden danach vergessen hätte, reicht aus, dass der Sänger verwirrt abbricht und beschämt-belustigt meint: "Erst mal üben. Ähm, Zuhause." Wer sich davon überzeugen will, dass Hecker in zusammenhängenden Sätzen sprechen und auch lächeln kann, und das sogar sehr charmant, der muss den Sänger fernab von der Bühne ansprechen.

Das zweite Set an diesem Abend interessiert viele Hecker-Fans scheinbar nur am Rande: Zu entrückt, verträumt, oder einfach nur zu müde sind sie, um Keren Ann die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Und so schweben sie traumverloren in die Herbstnacht und zerdrücken eine Träne im Augenwinkel bei der Erinnerung an die berührendsten, weil ungeschminkt ehrlichen Zeilen des ewig einsamen Sängers: "You’re not mine, but I am yours… together we could fall asleep and drift away."